Elend und Gelobtes Land – Bedeutungswandel oder Lesartenprofilierung?
Abstract
An Beispielen wie Fräulein in Goethes Faust und vielen Ausdrücken aus dem Frühneuhochdeutschen des 16. Jahrhunderts wie Elend und Gelobtes Land wird gezeigt, dass die traditionelle Theorie des historischen „Bedeutungswandels“ mit der Gegenüberstellung von alter, heute nicht mehr gebräuchlicher Bedeutung eines Wortes und neuer, gegenwärtig verwendeter Bedeutung zu einfach ist. Dieser Beurteilung des lexikalischen Sprachwandels wird die These von einer „diachronen Polysemie“ gegenübergestellt, nach der die semantischen Merkmale von Lexemen im Laufe der Geschichte häufig neu geordnet werden, mit Zurücktreten und Vordringen ganzer Bedeutungen. Die Gebrauchsfrequenz kann wechseln, Hauptbedeutungen können zu Nebenbedeutungen werden und umgekehrt. Dabei können einzelne Merkmale verblassen oder ganz verschwinden und andere neu hinzukommen. Beim Lesen von Texten mit selten gewordenen Wortbedeutungen sind deshalb semantische Sensibilität und Sprachbewusstheit in den drei Varianten polysemische, morphologische und kollokative Sprachbewusstheit hilfreich. Ihre Entwicklung sollte im Sprachunterricht der Schulen gefördert werden.
Schlagworte
Sprachwandel; diachronische Polysemie; Bedeutungsmerkmale; Sprachbewusstheit
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Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Deutschland
https://orcid.org/0000-0002-4863-4702