BLCKBX GAIA oder zur doppelten Grenze des Gaia-Planeten

Frank-M. Raddatz
https://orcid.org/0000-0002-0138-6131

Abstract

Das Anthropozän-Kunstwerk ist an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft angesiedelt, weil das Anthropozän selbst eine wissenschaftliche Konstruktion ist. Da das Anthropozän auf Auswirkungen der technologischen Entwicklung beruht, die keineswegs beabsichtigt sind, kann es nicht durch ethische Imperative eingedämmt werden. Vielmehr ist es das Ergebnis einer Erkenntnistheorie, die die Aktanten als Objekte verkennt. Daher fordert Bruno Latour eine Ästhetik, die Rückkopplungseffekte propagiert. Eine solche erkenntnistheoretisch zentrierte Kunst sollte sich auf die Multiplikation des Möglichen beschränken und ihre Autonomie aufgeben. Dieser Doktrin widerspricht Latour selbst, insofern das Ensemble der Aktanten zusammen mit dem vom Leben in den Kritischen Zonen bevölkerten Himmelskörper Gaia ein unbekanntes und wissenschaftlich kaum erforschtes Phänomen ist. So zieht sich eine Grenze des Nichtwissens durch die ökologische Kunst, die sich inmitten einer Transformnationsbewegung befindet.


Schlagworte

Gaia; Bruno Latour; Aktanten; Grenze von Wissen und Nicht-Wissen; Schnittstelle Kunst/Wissenschaf

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Veröffentlicht : 2023-06-27


RaddatzF.-M. (2023). BLCKBX GAIA oder zur doppelten Grenze des Gaia-Planeten. Wortfolge. Szyk Słów, (7), 1-21. https://doi.org/10.31261/WSS.2023.07.04

Frank-M. Raddatz  drfraddatz@aol.com
RambaZambaTheater Berlin  Deutschland
https://orcid.org/0000-0002-0138-6131

Dr. Frank-M. Raddatz ist Publizist und Dramaturg an zahlreichen Theatern, zuletzt am Berliner Ensemble und an der Volksbühne Berlin. Er arbeitete u.a. mit Heiner Müller, Dimiter Gotscheff, Theodoros Terzopoulos, Einar Schleef und Tadashi Suzuki. Zudem war er Künstlerischer Leiter der internationalen Kooperation Mania Thebaia (Düsseldorf/Epidaurus) 2002 und der Promethiade Athen – Essen – Istanbul 2010. Zwischen 2007 und Mai 2014 war er in der Chefredaktion von „Theater der Zeit“, seitdem arbeitet er für das „Lettre International“, Berlin. Er ist Mitglied des ITI. Lehrt an verschiedenen Universitäten. 2019 gründete er mit der Meeresbiologin Antje Boetius und der Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin Sabine Kunst das »Theater des Anthropozän« (www.theaterdes antropozaen.de). Zahlreiche Publikationen mit und über Heiner Müller, zu Ästhetik, Politik und Theatertheorie, in den letzten Jahren insbesondere zu den Fragen des Anthropozän (zuletzt in “Lettre International”, Berlin). Letzte Buchpublikationen: Heiner Müller: The American Leviathan, Suhrkamp 2020; Das Drama des Anthropozän, Theater der Zeit 2021.